Ein Ausflug in die Synästhesie
Synaisthanomai ist altgriechisch (syn = zusammen, aisthésis = Empfindung) und bedeutet so viel wie ›mitempfinden‹ oder ›zugleich wahrnehmen‹. Das beschreibt das Phänomen Synästhesie schon sehr gut, denn es geht um die Verschmelzung von Sinnesebenen. Wird ein Sinn (z.B. Riechen, Hören) stimuliert, so wird ein weiterer Sinn (z.B. das Sehen von Farben) angesprochen. Es kommt also zu einer vom Gehirn nicht vorgesehenen Verkopplung von Sinnesqualitäten – Synästhetiker nehmen demnach ›nicht-zueinander-passende‹ Sinnesqualitäten gleichzeitig wahr.
Wie viele Formen es genau gibt, ist unklar.
Ausgehend von unseren fünf Sinnen – Sehen, Hören, Schmecken, Fühlen und Riechen – könnte quasi jede Kombination möglich sein. So sehen manche Synästhetiker Zahlen farbig, andere schmecken ihren Kaffee blau und wiederum andere nehmen geometrische Formen wahr, wenn ihnen der Geruch von Rosen in die Nase steigt.
Die häufigste Form ist das ›farbige Hören‹: Auditive Reize führen zu auditiven und visuellen Wahrnehmungen.
Eine weitere Form ist die chromatisch-graphemische Synästhesie, die ›Buchstabe-Farb-Synästhesie‹: Das Sehen eines Buchstabens oder einer Zahl löst gleichzeitig die Sinneswahrnehmung einer Farbe aus.
Bunte Welten soll hauptsächlich eine Arbeit über meine Form der Synästhesie darstellen – der chromatisch-graphemischen Synästhesie.
Wenn ich eine Zahl lese oder an sie denke, sehe ich sie in einer bestimmen Farbe.
Zum einen sehe ich Zahlen und Buchstaben farbig, auch wenn sie schwarz auf weiß gedruckt sind, zum anderen nehme ich Zeitintervalle als dreidimensionale Formen wahr.
Jede Ziffer besitzt eine feste Farbe. Setzen sich einzelne Ziffern als Zahl zusammen, ist diese, der Mischung entsprechend, schön, hell, dunkel oder unfreundlich:
Ich empfinde z.B. fast alle Zahlen, die eine 7 enthalten dunkel und unfreundlich. Kommt jedoch eine 4 mit ins Spiel, wie bei 74, wird die Zahl viel heller:
Im Gegensatz zu meiner starken Farb-Zahl-Wahrnehmung ist nur etwa die Hälfte des Alphabets für mich farbig. Viele Konsonanten sehe ich farblos, dh. wenn ich an sie denke, kann ich ihnen keine Farbe zuweisen. Vokale sehe ich hingegen deutlich in Farbe:
Der erste Teil des Projekts Bunte Welten besteht aus einem Buch. Dieses soll interessierten Nicht-Synästhetikern und Synästhetikern mit anderen Ausprägungen das Thema der chromatisch-graphemischen Synästhesie näher bringen. Durch die Gestaltung möchte ich meiner Synästhesie etwas Greifbares verleihen, sodass auch Nicht-Synästhetiker verstehen können, was ich meine, wenn ich von einer freundlichen 74 rede.
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